Aufklärungsarbeit

Tierhaltung bedeutet Verantwortung! – Ein zweites Leben für Odin

„Aufklärung ist Tierschutz“. Dieses Motto nehmen wir als Aufklärungsteam von aktion tier sehr ernst, denn Tiere und deren Schutz liegen jedem von uns am Herzen. Unsere Aufgabe ist es, mit den Menschen in persönlichen Kontakt zu treten und ihnen das Thema Tierschutz und dessen Bedeutung nahe zu bringen. Bei unserer Arbeit treffen wir zudem immer wieder auf Menschen, die uns um Rat fragen, da sie selbst mit Tierleid in Kontakt gekommen sind. Meist reichen da Verweise auf Veterinärämter, oder das Mitgeben der Kontaktdaten des Vereins. Doch manchmal gibt es auch Situationen, die so akut sind, dass wir sofort einschreiten müssen.

Der Hund Odin war von seiner Familie nicht mehr gewollt.
Der Hund Odin war von seiner Familie nicht mehr gewollt.

Während einer unserer bundesweiten Aktionen standen mein Kollege Malte und ich mit unserem Anhänger in einer netten, kleinen Fußgängerzone, in der es keine Probleme zu geben schien. Wir führten unsere Gespräche, beantworteten Fragen und gingen gut gelaunt unserer Arbeit nach. An diesem Vormittag kam eine junge Dame auf uns zu und fragte uns um Rat. Ein Verwandter, der sich vor Jahren einen Rottweiler namens Odin angeschafft hatte, sah sich nicht mehr in der Lage, sich um diesen zu kümmern. Sie berichtete, dass das Tier kaum rauskäme, generell stark vernachlässigt würde und dass der Halter mittlerweile ernsthaft über eine Einschläferung durch einen befreundeten Tierarzt nachdenke, da er ihn nicht im Tierheim abgeben oder vermitteln wollte.

Unter Tränen erzählte sie über den emotionalen Wert des gerade einmal fünf Jahre alten Tieres für die Familie und dass sie es nicht zulassen würde, dass dieser Hund eine egoistische Entscheidung mit seinem Leben bezahlen müsse. Bei Malte und mir schrillten sofort die Alarmglocken. Natürlich war uns klar, dass ein Tierarzt ein Tier nur dann einschläfern darf, wenn es so krank ist, dass keine Chance auf Heilung besteht, oder wenn es unter Qualen leidet, die medizinisch nicht mehr zu lindern sind. Wir überlegten gemeinsam mit der Frau, was man am Besten tun könne und schlugen ihr vor, dass sie als Familie gemeinsam versuchen sollten den Tierhalter umzustimmen. Sollte dies erfolglos bleiben, wäre der zweite Schritt, die Polizei hinzuzuziehen und sich an die örtlichen Tierheime zu wenden. Mit unseren Vorschlägen und den Kontaktdaten zum Verein verließ uns die Dame, und wir setzten unseren Arbeitstag mit ständig wiederkehrenden Gedanken an Odin fort, in der Hoffnung, dass sich alles klären und zum Guten wenden könnte.

Luisa Machol, Mitarbeiterin des aktion tier Aufklärungsteams, zögerte nicht eine Sekunde und setzte sich für den Hund Odin ein
Luisa Machol, Mitarbeiterin des aktion tier Aufklärungsteams, zögerte nicht eineSekunde und setzte sich für den Hund Odin ein Foto: © aktion tier

Da die Dame bis in die frühen Abendstunden nicht aufgetaucht war, vermuteten wir, dass es eine Einigung innerhalb der Familie gegeben hatte und fingen an, unseren Stand abzubauen. Doch wenige Augenblicke später sahen wir uns mit einer dramatischen Wendung konfrontiert: Völlig aufgelöst stand die Dame mit ihrem Partner, den Kindern und Odin bei uns am Stand und bat uns um Hilfe. Der Halter sei für keinen Lösungsvorschlag offen, die Polizei sah die Situation nicht als ihr Problem an und hatte die Dame auf die örtlichen Tierheime verwiesen, die sich dem Tier jedoch nicht annehmen konnten. Vor uns lag dieser fröhliche Hund mit seinen großen, lieben Augen, der noch so viel erleben wollte, sich von Kindern streicheln ließ und zufrieden den ganzen Boden vollsabberte.

Malte und mir war klar, dass wir eine Lösung für den braven Kerl finden mussten. Gemeinsam mit der Familie und in Rücksprache mit dem Verein, entschieden wir, den Hund mit in unsere Unterkunft zu nehmen in der Hoffnung, dass diese drastische Maßnahme zum gewünschten Erfolg führen würde. Wir ließen uns die Kontaktdaten der Familie geben und nahmen das Tier für eine Nacht mit in unsere Unterkunft. Und so saß der aufgeregt sabbernde Odin abends mit dem gesamten AufklärungsteamNord in der Unterkunft und holte sich von jedem eine ordentliche Kuscheleinheit ab, während wir bis in die späten Abendstunden gemeinsam überlegten, was nun die nächsten und klügsten Schritte wären. Unsere Überlegungen gingen in alle Richtungen: Von einer Einigung innerhalb der Familie bis hin zur Adoption des Tieres nach Zustimmung und Unterschrift des Halters war alles dabei. Ich sah mich schon mit dem sabbernden Riesentier vor einer schlaflosen Nacht, als die Situation mal wieder eine unerwartete Wendung nehmen sollte.

Odin verbrachte eine Nacht beim aktion tier Aufklärungsteam Nord.
Odin verbrachte eine Nacht beim aktion tier Aufklärungsteam Nord. Foto: © aktion tier

Endlich erreichte mich spät nachts eine erlösende Nachricht über Whatsapp: „Wir haben es geschafft, den Halter von seiner Idee abzubringen. Er hat eingesehen, dass sein Vorschlag egoistisch war. Ich würde gleich vorbeikommen und dann mehr erzählen“. Nun waren Menschenkenntnis und ein verlässliches Bauchgefühl gefragt. Wir entschieden uns, nach reichlicher Abwägung, Odin in die Hände der Familie zurückzugeben. Sie versprachen uns, uns am nächsten Tag mit Odin am Stand zu besuchen.

Den darauffolgenden Arbeitstag starteten wir wie gewohnt, waren jedoch in Gedanken immer wieder bei Odin und seiner Familie. Gespannt warteten wir, wann und ob wir Odin wiedersehen würden und führten wie gewohnt unsere Gespräche. Um 16 Uhr stand dann eine glückliche Familie mit einem zufrieden sabbernden Rottweiler, der den Trubel um ihn vermutlich nicht ganz verstand, vor uns. Wir bekamen nasse Hundeküsse, Umarmungen und zwei Packungen Pralinen, die uns Energie für den restlichen Tag gaben. In diesem Moment waren wir einfach nur stolz, denn wir hatten es geschafft, dass diese Familie wieder lachen und Odin bei ihr bleiben konnte.

Die Geschichte ist an dieser Stelle noch nicht vorbei, denn wir haben den Kontakt zur Familie gehalten und einige Updates zu Odin bekommen: Der Halter hat eingesehen, dass er dem Hund alleine nicht gerecht werden kann. Nun kümmert sich die ganze Familie liebevoll und mit Herzblut um Odin, sodass dieser jeden Tag neue Abenteuer erleben und sein Leben genießen darf. Wir hoffen sehr, dass Odin ein langes Hundeleben leben wird und wünschen der ganzen Familie alles Gute für die Zukunft.

Das Aussetzen des Hundes ist strafbar. Hier kann ein Bußgeld von bis zu 25.000 Euro anfallen.

Dafür seid ihr doch zuständig! – Wie ist die rechtliche Situation?

Auch wenn die Begebenheit, die unseren Mitarbeitern am Infostand in Schleswig-Holstein widerfahren ist, nicht zur Tagesordnung gehört, geschieht es doch regelmäßig, dass Tierhalter von uns Hilfestellung bei der Abgabe eines privaten Haustieres erwarten. Annähernd täglich finden jedoch solche Gespräche in deutschen Tierheimen statt.

Ein Kommentar von: Holger Knieling
Geschäftsführer von aktion tier e.V.

Wir wollen keine Tierheime bauen!
Wir wollen keine Tierheime bauen! Foto: © aktion tier

Meistens wird von den Tierhaltern der Versuch unternommen, moralischen Druck auf die Vertreter eines Tierheimes oder eines Tierschutzvereines zu üben. Gerne wird dabei die Möglichkeit thematisiert, dass, sofern im Tierheim keine Aufnahme erfolge, das Tier ausgesetzt werde oder sogar man sogar die Einschläferung in die Wege leiten wolle. Letzteres stellt eine hanebüchene Option dar, die in der Praxis nicht zum Tragen kommen würde. Kein seriöser Tierarzt würde auf Anforderung eines Halters ein gesundes Tier einschläfern, da er oder sie sich damit strafbar machen würde und den Verlust der Approbation in Kauf nehmen müsste. Auch die angedrohte Aussetzung eines Hundes oder einer Katze ist zwar denkbar und findet bedauerlicherweise auch statt; ein dafür verantwortlicher Tierhalter würde sich aber zumindest einer Ordnungswidrigkeit schuldig machen, und im Falle eines Hundes lässt sich der Halter meist finden. Besonders dann, wenn dieser das Aussetzen gegenüber Mitarbeitern eines Tierheimes großspurig angekündigt hat, die dann im Falle eines tatsächlichen Aussetzens das aufgefundene Tier in ihrer Einrichtung aufnehmen würden. Dort würde man sich schnell an den dafür Verantwortlichen erinnern.

Aber gibt es denn überhaupt jemanden, der für die Abgabe eines privaten Tieres im rechtlichen Sinne zuständig wäre?

Kurz gesagt: nein. Mit der Anschaffung eines Haustieres ist auch die Verpflichtung des Halters verbunden, sich um das Wohlergehen des Tieres zu kümmern. Tierheime bzw. deren Träger, meist Tierschutzvereine, sind private Initiativen zur Förderung und Umsetzung des Tierschutzes. Daraus erwächst aber keineswegs eine wie auch immer geartete Verpflichtung, privaten Tierhaltern bei der „Entsorgung“ ihres Tieres behilflich zu sein. Viele Tierschutzvereine bieten diese Möglichkeit dennoch an, indem sie gegen Zahlung einer Abgabegebühr das Tier in ihrer Einrichtung aufnehmen. Diese sehen sich eben genau in einer moralischen Verpflichtung, dem nun plötzlich ungeliebten Haustier mögliche negative Haltungsbedingungen oder gar ein Aussetzen zu ersparen. Dieses Verhalten sollte man jedoch auch kritisch betrachten, da es den Betroffenen zu einfach gemacht wird, ihr Haustier „loszuwerden“. Und somit gelingt es immer wieder, die Verantwortung für das Tier und den daraus resultierenden Kosten vom privaten Besitzer auf einen Tierschutzverein zu übertragen. Leicht zu verhindern gewesen wäre das ganze Dilemma, wenn sich eine Privatperson vor der Anschaffung des Tieres mit allen möglichen Konsequenzen auseinandersetzen würde. Trotz vorhandener Beratungsmöglichkeiten werden diese jedoch oftmals nicht genutzt, was in der Folge zu den geschilderten Problemen führt. Auch wenn der von Luisa Machol geschilderte Fall erfreulicherweise ein gutes Ende gefunden hat und sich die Beteiligten letztlich im Sinne des Tierwohles verhalten haben, ist das jedoch keineswegs immer so. Sicherlich kann man auch davon ausgehen, dass das Verhalten und die Mediation unserer Mitarbeiterin Luisa einen nicht unerheblichen Einfluss auf den positiven Ausgang gehabt hat.

Dennoch steht weiterhin die Frage im Raum, wer denn überhaupt gesetzlich zuständig wäre, wenn es um die Belange von privaten Haustieren geht. Gibt es überhaupt gesetzliche Regelungen, die in diesem Bereich zum Tragen kommen könnten? Auch hier fällt die Antwort zunächst knapp und bündig aus: Ja, die gibt es. Allerdings würde eine Auseinandersetzung mit diesem komplexen Sachverhalt den vorhandenen Rahmen an dieser Stelle sprengen. Denn das (Haus-) Tier hat unter verschiedenen Begleitumständen eine unterschiedliche rechtliche Stellung, und dabei muss eine Trennung zwischen Fundtieren, herrenlosen Tieren oder aber auch Verwahrtieren vorgenommen werden, um deren jeweils anzuwendende rechtliche Stellung erkennen zu können.

Aus unserer Sicht sind die vorhandenen gesetzlichen Regelungen unzureichend, da sie in der Praxis zu teilweise gänzlich unbefriedigenden Ergebnissen führen. Unabhängig davon gilt jedoch für eine private Tierhaltung, dass die Verantwortung für das Tier beim Tierhalter liegt und niemand anderes in der Verpflichtung steht, ein zur Belastung gewordenes Haustier gesetzlich zwingend aufnehmen zu müssen. Und somit gilt auch weiterhin, dass verantwortungsbewusste Menschen sich vor der Anschaffung eines Tieres, bei aller verständlichen Emotionalität, mit allen daraus resultierenden Verpflichtungen auseinandersetzen!